Bild: www.synthetische-biologie.mpg.de.
Die Synthetische Biologie breitet sich rasant aus und löst erste ernsthafte Befürchtungen aus. Die Synthetische Biologie zielt darauf ab, biologische Organismen zu entwerfen, nachzubauen oder zu verändern. Es wird angestrebt, standardisierte, biologische Bausteine zu entwickeln, die sich kontrollierbar zu neuartigen Einheiten zusammenfügen lassen. Dies mit dem Ziel, einzelne Bausteine, die eine bestimmte Aufgabe erfüllen, in einen biologischen Schaltkreis zusammen zu fügen, ähnlich wie bei einem elektronischen Schaltkreis. Die Synthetische Biologie soll die Voraussetzungen für die nutzbringende und wirkungsvolle Herstellung von Produkten schaffen, zum Beispiel in der Medizin, bei Treibstoffen oder Lebensmitteln.
Mitchell and Ellis (2017) zeigen in einem Artikel in der renommierten US-Zeitschrift “Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)“ die stürmische Entwicklung der Synthetischen Biologie in den letzten Jahren auf. Dabei weisen die Autoren darauf hin, dass seit Beginn dieses Jahrhunderts verschiedene Forschungsgruppen die Synthese von Genomen anstreben. Als erstes synthetisches Genom sei im Jahre 2002 die Vollsynthese des relativ kleinen Genoms des Poliovirus (welches Kinderlähmung bewirkt) gelungen. In der Folge seien bakterielle Genome synthetisch hergestellt worden. So hat im Jahre 2010 das J. Craig Venter Institut das erste vollständige synthetische bakterielle Genom hergestellt und 2016 ein minimales, funktionsfähiges Mycoplasma Genom synthetisiert. Kürzlich ist die Neuschreibung von Chromosomen der Hefe (Saccharomyces cerevisiae) erfolgt (siehe News der SAG vom 23.3.2017). Die Kosten und die Zeitdauer für den synthetischen Zusammenbau von vollständigen Bakteriengenomen oder eukaryotischen Chromosomen erlauben es aber noch nicht, dass das synthetische Genom-Engineering routinemässig eingesetzt werden kann.
Auf der Ebene von Viren steigen aber gemäss Mitchell and Ellis die Möglichkeiten rasch an, selbst für Viren mit vergleichsweise grossen Genomen. 2017 haben Oldfield et al. die synthetisch biologische Herstellung eines Herpes-simplex-Virus bekanntgegeben. Damit wurde mittels Synthetischer Biologie ein Humanpathogen hergestellt. Dies warf Fragen auf zur so genannten Dual Use Research of Concern (DURC), welche besagt, dass die synthetische Herstellung eines Humanpathogens einerseits für die Forschung von Nutzen sein kann und andererseits auch ein Risiko im Bereich von Infektionskrankheiten darstellt und zu missbräuchlichen Anwendungen führen könnte. Noch grössere Bedenken löste die synthetische Produktion von Pferdepocken-Viren aus (siehe dazu Science Juli 2017). Es wird befürchtet, dass das, was mit Pferdepocken machbar ist, auch mit Pockenviren mit Pathogenität beim Menschen machbar ist. Die Pocken beim Menschen gelten aber seit dem zuletzt dokumentierten Fall von 1977 als ausgerottet. Die Impfkampagnen wurden weltweit eingestellt, d.h. heute lebende Menschen sind nicht gegen das Pocken-Virus immunisiert (siehe dazu Zylka-Menhorn (2017)).
Die Synthetische Biologie lässt sich nur schwierig von der Gentechnik abgrenzen. Sie baut auf der Gentechnik auf, ihre Möglichkeiten sind aber grösser. Vor allem dadurch, dass neuartige biologische Bauteile planbar und machbar werden. Solche Bausteine fügt die Synthetische Biologie zu Systemen zusammen, die in der Natur nicht vorkommen, oder verwendet sie, um in natürlich vorkommenden Organismen neue Stoffwechselpfade zu entwickeln (so genanntes Metabolisches Engineering). Auch die Standardisierung von biologischen Bauteilen ist ein Ansatz, durch welchen die Synthetische Biologie die Gentechnik übertrifft. Da der Übergang zwischen Gentechnik und Synthetischer Biologie fliessend ist, fehlt heute eine klare Definition von Synthetischer Biologie, was sich auf deren Regulierung auswirkt.
- Externer Link: Mitchell and Ellis (2017)