Petripeter1Bakterienkolonie in einer Petrischale, Bild: Clipdealer

Ein Forscherteam in Grossbritannien hat ein Bakterium mit dem bislang grössten künstlich hergestellten Genom erschaffen. Mithilfe der Genschere CRISPR und chemischer Synthetisiermaschinen hat die Arbeitsgruppe um den Biochemiker Jason Chin vom Medical Research Council Laboratory of Molecular Biology in Cambridge die ursprüngliche genetische Information in einem Kolibakterium nach und nach durch synthetisch hergestellte DNA-Sequenzen ersetzt, die am Computer zusammengestellt wurden. Das so entstandene Designer-Bakterium, das Syn61 genannt wird, besitzt ein vollständig synthetisches Genom, berichten die Forscher in der renommierten Fachzeitschrift Nature.

Kolibakterien (Escherichia coli) sind ein wichtiger Bestandteil der Darmflora. Da sie sich im Labor einfach züchten lassen, sind sie ein beliebtes Modell der Gentechniker. Syn61 ist zwar nicht der erste Organismus, mit einem künstlich nachgebauten Erbgut. Sein Genom ist aber vier Mal länger, als das bisher grösste vom Menschen erstellte Erbgut, das 2010 beim Bakterium Mycoplasma mycoides erschaffen wurde.

Insgesamt umfasst das Genom des neu entstandenen Bakteriums vier Millionen sogenannte Nukleotidbasen. Sie bilden die Grundbausteine der DNA und werden meist als A (Adenin), C (Cytosin), T (Thymin) und G (Guanin) abgekürzt. Jeweils drei dieser Grundbausteine bilden ein sogenanntes Codon. Beim Übersetzen der genetischen Information in Eiweissstoffe, bestimmen solche Codons, welche Aminosäure als nächstes gebildet werden soll. Jedoch ist dieses System redundant. Obwohl sich aus den vier Grundbausteinen im Prinzip 43=64 verschiedene Codons zusammenstellen lassen, kann ein Organismus lediglich insgesamt 20 Aminosäure aufbauen. Unterschiedliche Codons können also zur Herstellung derselben Aminosäure führen, sie verhalten sich ähnlich wie Synonyme in der Sprache. Im Genom des neuen Designer-Bakteriums haben die Forscher nun den Code so verändert, dass drei solche Codons konsequent wegfallen. Damit Syn61 mit nur 61 Codons auskommt, wurde das Genom an mehr als 18000 Positionen verändert.

Mit der Reduktion der Anzahl synonymer Codons hat das Forscherteam einerseits bewiesen, dass ein Lebewesen auch mit einem weniger redundanten Kodierungssystem funktionieren kann. Auch wenn sie sich durch ihre längere Form unter dem Mikroskop von ihren natürlichen verwandten unterscheiden und sich etwas langsamer vermehren, sind die Bakterien mit dem computerdesignten Genom lebensfähig. Die Unterschiede zwischen den künstlichen und natürlichen Artgenossen zeigen jedoch, wie wenig wir über die Funktionsweise des genetischen Codes wissen. Denn die veränderten Codons sind höchstwahrscheinlich nicht nur für die Bauanweisung der Aminosäuren zuständig, sondern erfüllen auch andere, bislang unbekannte Funktionen. Sie können zum Beispiel als Andockstelle für Biomoleküle fungieren, welche die Aktivität der Zellen steuern.

Andererseits sind durch die Veränderungen drei Codons frei geworden, die für andere Zwecke gebraucht werden könnten. So könnten die Wissenschaftler Syn61 einprogrammieren, künstliche Aminosäuren in ein Protein einzubauen. Auf dieser Weise würden Biomoleküle mit vollkommen neuen Eigenschaften entstehen, die die Zelle sonst nicht herstellt.

Davon könnte sowohl die Medizin als auch die chemische Industrie profitieren. Doch die neue Technologie könnte nicht nur für friedliche wirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Die Forscher schreiben, sie seien sich bewusst, dass solche synthetischen Organismen ein Missbrauchspotential besitzen.