Geht es nach Bundesrat Rösti, sollen die EU-Deregulierungspläne übernommen werden. Bild: Shutterstock
Der Bundesrat hat sich am 4. September mit einiger Verspätung zu Wort gemeldet und angekündigt, dass erst im Dezember 2024 statt wie vorgesehen im Sommer 2024, ein neues Spezialgesetz in die Vernehmlassung gegeben wird. Das Spezialgesetz soll die Zulassung der neuen Gentechnik (NGT, auch neue genomische Techniken, bzw. neue gentechnische Verfahren genannt) regeln. Damit folgt er direkt dem Vorbild der EU – obwohl die geplante Überarbeitung des EU-Gentechnikrechts zentrale Prinzipien des europäischen Rechts verletzt: Sie widerspricht dem Vorsorgeprinzip.
Mit seiner Kommunikation bestätigt der Bundesrat die Befürchtung, dass er sich dem Vorbild der EU orientieren will. Was mit einer «behutsamen Öffnung» gemeint ist, bleibt völlig unklar. Geht es nach den weitgehenden Deregulierungsplänen der EU-Kommission, wäre eine solche Anpassung fatal. Denn die Produkte der neuen Gentechnik würden ohne Risikoprüfung und ohne Koexistenzmassnahmen zugelassen werden. Die Risiken werden in der Diskussion gänzlich weggelassen, obwohl die Risikoprüfung das zentrale Element ist, das mit dem Vorsorgeprinzip einhergeht, welches auch im Zentrum des Schweizer Verfassungsrechts steht.
SAG fordert strikte Regeln
Um Umwelt, Mensch und Tier zu schützen, plädiert die SAG deshalb für:
- Eine strikte Risikoprüfung der neuen Gentechnik im Einzelverfahren (Vorsorgeprinzip)
- Erhaltung der Wahlfreiheit durch Kennzeichnungspflicht und Entwicklung von Nachweisverfahren
- Klare Spielregeln für die Gentechnik (Koexistenzregelung) und geregelte Haftung bei Schäden nach dem Verursacherprinzip
- Schutz der gentechnikfreien Züchtung vor Patenten
- Förderung von Alternativen der gentechfreien Züchtung und Forschung
Die Kommunikation des Bundesrats ist besorgniserregend und kommt nicht überraschend zeitgleich mit der Lancierung der Initiative «für gentechnikfreie Lebensmittel». Setzen Sie ein Zeichen und unterschreiben Sie jetzt die Initiative! Sprechen Sie in Ihrem Umfeld darüber und lassen Sie uns zusammen für die gentechnikfreie Landwirtschaft einstehen.
Vorbild EU
Welche Richtung wird der Bundesrat einschlagen? Laut Medienmitteilung sollen Handelshemmnisse zwischen der Schweiz und der EU vermieden werden. Daraus ist zu schliessen, dass er früher oder später dem Druck der EU und somit auch der Industrie nachgeben wird. Dies obwohl er bestätigt: «Noch sind keine solche Sorten, die für die Schweizer Landwirtschaft interessant wären, verfügbar.»
Die Schweiz kann und muss anders. Ausgerechnet jetzt, als der Neuregulierungsprozess auch in der EU vorläufig auf Eis gelegt wurde, ist keine Eile notwendig: Die Schweiz hat Zeit, die Legislatur finden, die für ihre kleinräumig strukturierte Landwirtschaft die Richtige ist.
Irreführender Sprachgebrauch
Mit seiner Wortwahl weicht vom Sprachgebrauch der EU-Kommission ab und schafft Intransparenz, indem er die neue Gentechnik als neue Züchtungsmethoden bezeichnet. Doch mit Züchtung haben diese nichts zu tun. Denn auch die neue Gentechnik ist Gentechnik, wie dies auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil 2018 bestätigt.
Die darauffolgende Erklärung der Unterschiede zwischen herkömmlicher Gentechnik und der neuen Gentechnik ist ebenfalls irreführend und entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Mit diesem Abschnitt folgt der Bundesrat klar der Industrielobby, welche Pflanzen, die mit der neuen Gentechnik entstanden sind und kein artfremdes Gen (Transgen) enthalten, als sicher deklarieren will, um sie aus dem Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes herauszunehmen. Doch der Verzicht auf das Einführen von artfremden Genen bietet keine höhere Sicherheit. Die Risiken sind nicht mit der Herkunft des eingefügten Gens verbunden, sondern mit dem gentechnischen Eingriff selbst, sowie mit den Auswirkungen, die mit der veränderten Sequenz verknüpft sind. Bei der Risikoforschung gibt es jedoch noch erhebliche Wissenslücken – der erste Freisetzungsversuch mit einer CRISPR-Pflanze wurde in der Schweiz erst 2024 bewilligt.
In der Hoffnung auf eine lukrative schnelle Marktzulassung werden die Risiken der Technologie jedoch ausgeblendet. Doch die neue Gentechnik ist bei Weitem nicht so präzise, wie von ihrer Befürwortenden dargestellt: Studien zu Nichtzieleffekten häufen sich. Mit der erhöhten Eingriffstiefe, die sie ermöglicht (multiple Eingriffe gleichzeitig, sog. Multiplexing und Veränderung von Genorten, die vor Mutationen besonders gut geschützt sind) steigt auch das Risiko. Über eine Geschichte der sicheren Nutzung – wie etwa die vom Bundesrat erwähnten herkömmliche Mutagenese – verfügt die neue Gentechnik nicht.
Falsche Versprechen
Mit den vom Bundesrat angekündigten trockenheitsresistenten Pflanzen kann nicht in absehbarer Zeit gerechnet werden, da dies von vielen Genen mitgesteuert und technisch schwierig zu realisieren ist. Ein Blick in die Entwicklungspipelines zeigt, dass sich die meisten Entwicklungen auf mehr Ertrag und Qualitätsmerkmale fokussieren, Klimatraits sind kaum zu finden. Stattdessen wird an technisch einfach umsetzbaren, aber nicht nachhaltigen Eigenschaften wie an Herbizidtoleranz und monogenen Resistenzen gearbeitet.
Die neue Gentechnik ist noch nicht ausgereift und muss allein deshalb streng reguliert werden. Unterschreiben Sie jetzt die Lebensmittelschutz-Initiative, um Mensch, Tier und Umwelt vor den Risiken der Gentechnik zu schützen!