Screenshot 2024 03 15 133229Interessenabwägung bei GV-Versuchstieren: Was ist grösser - der Nutzen für die Gesellschaft oder das Leid, das den Tieren bei den Versuchen zugefügt wird? Bild: Shutterstock

Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) hat Ende 2023 Anpassungen zu mehreren Erlassen im Tierschutzbereich in die Vernehmlassung geschickt. Als Antwort auf verschiedene parlamentarische Vorstösse sollen die neuen Vorgaben unter anderem das Tierwohl in der Haltung verschiedener Tierarten verbessern. Ebenso sind Massnahmen im Bereich Tierversuche vorgesehen, um die tierschutzrechtlichen Vorgaben zu stärken. Die SAG begrüsst dieses Vorhaben: Denn zum einen generiert die Forschung stets neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der Tierhaltung. Zum anderen erlauben neuartige Technologien, wie die neue Gentechnik eine bislang nie gesehene Eingriffstiefe, welche u.a. auch wichtige ethische Fragen aufwirft.

Die Tierschutzverordnung wurde im Laufe der Jahre mehrmals revidiert und auf den neusten Wissenstand gebracht. Dies ist begrüssenswert wie auch die nun vorgeschlagenen Anpassungen. Der STS, eine der Trägerorganisationen der SAG, verweist jedoch in seiner Vernehmlassungsantwort darauf, dass es zeitnah eine Gesamtrevision der TSchV brauche, um das Wohl der Tiere in menschlicher Haltung sicherzustellen und weiter zu verbessern, da viele tierschutzrelevante Bereiche in der aktuellen Kurzrevision gar nicht angesprochen werden. Dieses Anliegen unterstützt die SAG vollumfänglich, besonders in Anbetracht der rasch voranschreitenden Entwicklung der neuen gentechnischen Verfahren, welche auch den Tierschutz betreffen.

Die SAG schliesst sich bei den Detailantworten der Stellungnahme des Schweizer Tierschutz an. Bei einigen Punkten möchte die SAG noch ergänzende Gedanken hinzufügen. Bei mehreren Problemstellungen wird in den Erläuterungen zur TSchV auf mögliche Verbesserungen durch Zuchterfolge oder technische Entwicklungen hingewiesen, die nach Auffassung der SAG aber zu ethischen Fragen führen, die ihren Niederschlag in der Tierschutzverordnung finden sollten, beispielsweise die Zucht auf kürzere Schwänze bei verschiedenen Tieren oder die Hornlosigkeit bei Rindern. Probleme mit behornten Tieren sind in erster Linie auf nicht tiergerechte Haltungsformen zurückzuführen. Es stellt sich die Frage, wem die Veränderung dieser Eigenschaften bei Nutztieren mit Hilfe der neuen gentechnischer Verfahren dient und ob diese mit dem Verfassungsartikel (Art. 120) zum Schutz der Kreatur vereinbar sind? Das gleiche gilt für die gentechnischen Ansätze zur Früherkennung des Geschlechtes bei Küken. Die der Produktionslogik folgende Tötung männlicher Küken zum frühestmöglichen Zeitpunkt mache eine wichtige Facette der Instrumentalisierung in der Mensch-Tier Beziehung deutlich, heisst es in einem Expertenbericht (EKAH 2021) zur Genomeditierung bei Tieren. Selbst wenn die Tiergesundheit und das Tierwohl gesteigert wird, heisst dies nicht, dass es dabei um die Tiere selbst gehe.

Bereits 2015 hat die damaligen SAG Präsidentin, Nationalrätin Maya Graf in einer Interpellation (15.4200 Interpellation) auf die aus dem Aufkommen der neuen gentechnischen Verfahren resultierenden möglichen Rechtsunsicherheiten in der bestehenden Gesetzgebung bei Anwendungen an Tieren hingewiesen. Der Bundesrat sei sich der Unsicherheiten bei der Anwendung der Gentechnikgesetzgebung auf solche neuen Technologien bewusst, heisst es in dessen Antwort. Die Forschenden müssen gemäss BR den Nachweis erbringen, dass der Nutzen für die Gesellschaft grösser ist als das Leid, das den Tieren bei den Versuchen zugefügt wird (Interessenabwägung).

Welche Forschungsvorhaben im Bereich der Neuen Gentechnik konkret angegangen werden und welche ethischen Fragen sich daraus ergeben, hat die SAG in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Tierschutz in einer Übersichtsstudie 2022 zusammengestellt und publiziert. Dabei wurde im Bericht zwischen den Bereichen Versuchstiere und Nutz- und Heimtiere unterschieden.

Bereits 2001 haben die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) und die Eidgenössische Kommission für Tierversuche (EKTV) in einem Bericht zur Konkretisierung der Würde der Kreatur beim Tier darauf hingewiesen, dass eine Unterscheidung von Herstellungszielen für gentechnisch veränderte Tiere für die Güterabwägung notwendig wäre. Denn nur eine Kategorisierung würden es ermöglichen, die unterschiedlichen Interessen des Menschen an gentechnisch veränderten Tieren zu verdeutlichen und zu gewichten.

 Zur STS-Stellungnahme