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21. Mai 2022: Eine Gruppe von Aktivisten warnt vor dem argentinischen Nationalkongress vor dem Einsatz von GVO und Pestiziden in der Landwirtschaft. Bild: Shutterstock

Die erste GV-Weizensorte weltweit, der HB4-Weizen der argentinischen Firma Bioceres in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe des Costal Agrobiotechnology Institute (CONICET-UNL) entwickelt wurde, sorgt immer wieder als mögliche Lösung für den Klimawandel für Schlagzeilen – dies ist auch während dem aktuellen Dürresommer der Fall.  Die Sorte ist mittels klassischer Gentechnik entstanden und enthält ein Gen (haHB4) aus der Sonnenblume, das an pflanzlichen Stressreaktionen beteiligt ist. Wie genau das Gen bei Weizen funktioniert, ist noch weitgehend unbekannt, es soll aber bewirken, dass die Sorte in Landschaften mit Wasserstress 20 Prozent mehr Ertrag erzielt als vergleichbare Sorten ohne das eingefügte Gen. Im Fruchtwechsel mit Sojabohnen soll zudem mehr Kohlenstoff in Boden fixiert werden als in einer Sojamonokultur: Auch dies wird als weiterer Vorteil für das Klima ins Feld geführt.

Verschwiegene Herbizidtoleranz

Eine zentrale Information bleibt jedoch bei der Promotionskampagne für den dürreresistenten Gentechweizen meist unerwähnt, nämlich dass die Sorte ein weiteres Fremdgen enthält. Dieses stammt aus einem Bakterium und bewirkt eine Toleranz gegenüber dem umstrittenen Herbizid Glufosinat. In der Europäischen Union lief die Zulassung von Glufosinat am 30. September 2017 aus, in der Schweiz ist es seit Anfang 2022 nicht mehr erhältlich. Dies zeigt, dass gentechnisch veränderte herbizidtolerante Pflanzen wenig mit Nachhaltigkeit oder Klimafreundlichkeit zu tun haben. Beim Glyphosat führte die weitverbreitete Verwendung zu resistenten „Superunkräuter“, die nur mit noch giftigeren Herbiziden bekämpft werden können.

Ertragserhöhung zweifelhaft

Ferner lässt auch der versprochene erhöhte Ertrag dieser Sorte Zweifel aufkommen. Laut einer Beurteilung des Biosafety Information Centre liefert die Sorte trotz wohlklingenden Versprechen nur geringe Erträge, die etwa zwei Drittel des Durchschnittsertrags von Nicht-GV-Weizen betragen. Bei den ersten 40 116 Hektaren, die bereits geerntet wurden, waren die Erträge mit 97 281 Tonnen – was einer sehr geringen durchschnittlichen Produktivität von 24 Zentnern pro Hektar entspricht – nach Angaben von Canal Abierto recht mager. Es waren etwa 1 000 Kilo weniger als der von der Getreidebörse von Buenos Aires geschätzte nationale Durchschnittsertrag für traditionellen Weizen, der bei 34,4 Zentnern pro Hektar liegt.

Zulassung in Australien – eine Werbeaktion

Im Mai 2022 wurde die Sorte wurde auch in Australien zugelassen. Bereits Ende 2021 hatte die brasilianische Regierung den Import von Mehl aus HB4-Weizen genehmigt und auch die USA meldete keine Sicherheitsbedenken. Allerdings haben diese Zulassungen eher eine symbolische Bedeutung, denn der Weizen darf dort nur als Lebensmittel importiert, nicht aber angebaut werden. Bei all den beantragten Zulassung geht es Bioceres vor allem darum, den Kunden zuhause in Argentinien die Akzeptanz des GV-Weizens zu signalisieren und so den weiteren Anbau zu fördern. Die Wahrscheinlichkeit, dass eines dieser Länder die Sorte tatsächlich importieren wird, ist jedoch gering, da der Widerstand der Konsumierenden gegenüber GV-Weizen gross ist.

Der Anbau von GV-Weizen stösst auch in Argentinien auf breite Ablehnung. Gleichzeitig mit der Genehmigung durch die Regierung hatten rund 1 400 Wissenschaftler aus 30 öffentlichen Universitäten ein Schreiben veröffentlicht, in dem sie warnten: "Diese Genehmigung bezieht sich auf ein Agrarmodell, das sich als schädlich für die Umwelt und die Gesellschaft erwiesen hat, das die Hauptursache für den Verlust der biologischen Vielfalt ist, das die Probleme des Lebensmittelsystems nicht löst und das auch die Umwelt bedroht.“  Die Zulassung beschäftigt nun auch die Gerichte. Ein Richter der Provinz Buenos Aires hatte im Juni 2022 eine vorsorgliche Verfügung erlassen, welche die Verwendung und Freisetzung den GVO-Weizen HB4 von Bioceres untersagt. Der Entscheid war die Antwort auf eine Sammelklage von Landwirten, Sozial- und Umweltorganisationen sowie indigenen Völkern. Diese befürchten, dass sich der Gentech-Weizen auskreuzen und somit die lokal angepassten, einheimischen Sorten gefährden würde. Laut Canal Abierto machten sie geltend, dass es keine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen und keine Langzeitstudien über die chronischen und krebserregenden Auswirkungen des GV-Weizens gibt, da gesetzliche Regulierungen dazu fehlen. Mehrere Umweltgruppen haben zudem die Interessenkonflikte der staatlichen Aufsichtsbehörden angeprangert, die sich in vielen Fällen aus Vertretern von Agrarkonzernen zusammensetzen. Zudem würde der Anbau von transgenen Weizen auch das gesetzlich verbriefte Recht auf Agrarökologie verletzen, da eine Koexistenz des agrarökologischen Modells neben einem agrarindustriellen kaum möglich ist.

Mittlerweile wurde das vom Gericht verhängte Verbot von GV-Weizen in der Provinz Buenos Aires für die Dauer eines Berufungsverfahrens wieder ausgesetzt. Die Berufung wurde von der Provinzregierung eingelegt, die laut dem Wissenschaftler Dr. Damián Marino "vor der Macht der Agrarindustrie kniet und der Bevölkerung und der öffentlichen Gesundheit den Rücken zukehrt".

Zum kritischen Artikel im Infosperber

Zur Fallstudie von GMWatch