genedrivenews Kartoffelvielfalt auf einem Markt in Peru. Bild: Shutterstock               

Grossinvestoren forcieren den Einsatz einer krankheitsresistenten GV-Kartoffelsorte in Afrika. Das Vorhaben ist als philanthropische Hilfsaktion getarnt. Doch die GV-Pflanze enthält Gene, die anhand von Sequenzinformationen einer wilden Kartoffelart aus der internationalen Datenbank GenBank, einer Sammlung digitaler Sequenzinformationen (DSI) im Labor synthetisiert wurden. Da der rechtliche Rahmen zur Benützung dieser Informationen nicht geklärt ist, könnte die Zulassung der GV-Sorte den Weg zur freien Verfügbarkeit von DSI ebnen und somit zur Biopiraterie. Dies würde weltweit den Interessen der Kleinbauern zuwiderlaufen.

Ein gemeinsamer Bericht der Asociación ANDES, PELUM Ruanda und des Afrikanischen Zentrum für Biodiversität (ACB) wirft zentrale Fragen und Bedenken bezüglich der für Afrika vorgeschlagenen GV-Kartoffel auf.

Die Knollenfäule-resistente Kartoffelsorte entstand bereits vor einigen Jahren. Ihr wurden mittels klassischer Gentechnik Gene aus eine südamerikanischen Wildkartoffeln zugefügt, die ihr eine Resistenz gegen die Pilzkrankheit verleihen. In Europa und in den USA, wo es bereits viele resistente Sorten aus konventioneller Züchtung gibt, konnte sie jedoch mangels Nachfrage nicht verkauft werden. Deshalb versuchen ihre Hersteller und Finanziers – u.a. die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, der US-Kartoffelkonzern JR Simplot, unterstützt durch das Internationale Kartoffelzentrum (CIP) in Peru – die Sorte in Afrika einzusetzen, und so auch den Weg für andere gentechnisch veränderte Nutzpflanzen freizuschaufeln. Denn einige der eingeschleusten Gene sind bereits patentiert – dies verheisst grosse Gewinne.

Sowohl Bauern in den Anden als auch ihre Berufskollegen aus Afrika sind sich einig, dass es keine Gründe gibt, welche den Einsatz von GV-Kartoffeln im Kampf gegen die Pilzkrankheit Kartoffelfäule rechtfertigen würden. Der Anbau solcher GV-Pflanzen ist für Kleinbauern in Afrika nicht geeignet, denn die von ihnen bewirtschafteten Parzellen, sind nur selten grösser als ein Hektar. Zudem werden die wenigsten von ihnen bewässert und viele Parzellen befinden sich in Hanglage. Diese Faktoren sprechen gegen eine input-intensive Landwirtschaft, wie dies bei GVO der Fall ist. Die Kartoffelfäule ist in den Anden seit Jahrtausenden wohlbekannt, verursacht jedoch kaum grosse Probleme. Der Schlüssel zur Resistenz liegt nicht in der Gentechnik, sondern der enormen Diversität der Kartoffelsorten. Aus der Sicht der ugandischen Rechtsanwältin Barbara Ntambirweki handelt es sich bei dieser als Entwicklungshilfe verkauften Aktion nur um einen Trick, mit dem die Agrarindustrie den Weg für den Diebstahl des traditionellen Wissens und der pflanzengenetischen Ressourcen der einheimischen Bauern in den Anden ebnen will.

Denn die für die gentechnische Manipulation des Kartoffelgenoms verwendeten Gene sind nicht in den Laboratorien der Konzerne entwickelt worden. Sie stammen aus südamerikanischen Wildkartoffeln. Der Zugang zu solchen pflanzengenetischen Ressourcen aus Genbanken oder zu ihren Sequenzinformationen aus online-Datenbanken ist für die Forschung und so auch für die obengenannten Konzerne frei. Sich solche Gene, wie zum Beispiel die, die für die Resistenz gegen die Kartoffelfäule verantwortlich sind, durch Patente zu sichern, ist Biopiraterie. Deshalb setzen sich die Kleinbauern in den Anden zusammen mit ihren afrikanischen Kollegen gegen den Einsatz der GV-Kartoffeln ein.

Biopiraterie und das Nagoya-Protokoll

Der klassische Fall. Werden Gewinne mit einem Produkt gemacht, das auf einer Pflanze basiert, die z.B. aus einer nationalen Genbank stammt, müssen diese Gewinne laut Nagoya-Protokoll mit den Herkunftsländern geteilt werden.

Das Nagoya-Protokoll, ist ein internationales Umweltabkommen, das die Souveränität von Staaten und indigenen Gemeinschaften über ihre genetischen Ressourcen und ihr traditionelles Wissen anerkennt. Um eine gerechte Aufteilung von Gewinnen und Vorteilen zu gewährleisten, knüpft es den Zugang und die Nutzung von biologischen Ressourcen an Bedingungen und schützt diese als frei zugängliches Gemeingut vor der Gefahr der Aneignung durch geistige Eigentumsrechte wie Patente. Das Konzept des gerechten Vorteilsausgleichs wird zudem im internationalen Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Landwirtschaft und Ernährung der Welternährungsorganisation (FAO) umgesetzt.

Doch viele wissen das System des Vorteilsausgleichs zu umgehen. Ein klassischer Fall der Biopiraterie ist die Geschichte der Stevia-Pflanze, die von den indigenen Völkern in ihren Ursprungsländern Paraguay und Brasilien seit jeher zum Süssen von Getränken verwendet wird. Mit dieser Pflanze und dem damit verbundenen traditionellen Wissen machten internationale Grosskonzerne das grosse Geld, ohne die indigenen Völker zu entschädigen.

Biopiraterie der Zukunft. Wie das Beispiel der Kartoffel zeigt, ist in der Zukunft mit weiteren, neuen Arten der Biopiraterie zu rechnen. Denn die Forschung der Zukunft wird nicht mehr nur auf physischen genetischen Ressourcen basieren. Stattdessen wird sie zunehmend auf Basis digitaler Sequenzinformationen (DSI), d.h. Datensätzen von DNA-Sequenzen erfolgen. Zurzeit ist jedoch nicht klar, ob diese als genetische Ressourcen gelten. Dementsprechend hätten die Herkunftsländer keine Möglichkeit mehr, diesen überwiegend virtuellen Zugang zu steuern und könnten auch nicht vom System des Vorteilsausgleichs profitieren. Agrar- und Pharmamultis nützen diese Lücke aus, um diese Ressourcen sowie das damit verknüpfte traditionelle Wissen ohne die geringste Entschädigung auszubeuten. Sie profitieren vom verzerrten Patentsystem. Diese „digitale Biopiraterie“ kann nur verhindert werden, wenn dafür klare rechtliche Bedingungen im Rahmen des Nagoya Protokolls geschaffen werden.

Den Vorteilsausgleich durch den Einbezug von DSI in das Nagoya Protokoll zu gewähren wäre auch deshalb wichtig, weil auf DSI-basierte Forschung und Entwicklung vorrangig auf Fragestellungen aus dem globalen Norden ausgerichtet ist. Die daraus entstandenen Produkte können in den Herkunftsländern negative Auswirkungen haben, etwa auf Kleinbauern.

Die Schweiz hat es an der COP14 versäumt, die Forderungen der biodiversitätsreichen Länder des globalen Südens bezüglich der Einbeziehung von DSI in das Nagoya-Protokoll zu berücksichtigen. Stattdessen hat sie sich wenig kompromissbereit gezeigt und ausschliesslich die Interessen der Biotech-Industrie vertreten. Die SAG setzt sich dafür ein, dass das Verhandlungsmandat für die nächste Vertragsstaatenkonferenz (voraussichtlich 2021) des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (COP15) der Gefahr der Aneignung und Patentierung Rechnung trägt. Dazu sollen digitale Sequenzinformationen künftig physischen genetischen Ressourcen gleichgestellt werden und unter die Zugangs- und Vorteilsausgleichsregelungen des Nagoya Protokolls fallen. Der Rahmen dafür soll so gestaltet werden, dass der bürokratische Aufwand für die Forschenden möglichst klein gehalten wird, damit die Regelungen die Forschung nicht behindern – somit wäre ein Faktor beseitigt, der wissenschaftliche Kreise abschreckt, DSI einzubeziehen.