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Experimente an Mäusen zeigen: die Genschere CRISPR/Cas9 führt oft zu unerwünschten Veränderungen des Erbguts. Bild: Shutterstock

Die Verheissungen der Genschere CRISPR/Cas sind vielfaltig: weltweit wird die neue Methode angewendet, um Lebewesen an unsere Bedürfnisse anzupassen oder um Krankheiten zu heilen. Von den Befürwortern wird sie als äusserst präzise beworben. Doch immer mehr Studien weisen darauf hin, dass beim Schneiden der DNA-Doppelstränge und bei der anschliessenden Reparatur der Schnittstelle unerwartete Fehler mit möglicherweise gefährlichen Folgen auftauchen können. So haben Forscher an der Universität Münster vor Kurzem gezeigt, wie ein Erbgutschnipsel nicht wie geplant nur einmal, sondern doppelt oder sogar mehrfach ins Erbgut eingebaut wird. Der in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlichte Artikel weist darauf hin, dass solche unerwünschten Effekte mit den routinemässig angewendeten Testverfahren oft unentdeckt bleiben.

Eine Schwachstelle des CRISPR/Cas-Systems entdeckten die Forscher um Dr. Boris Skryabin, bei der Herstellung eines Mausmodells zur Erforschung der Funktionsweise des sogenannten S100A8-Gens in Immunzellen. Um dies zu verwirklichen, wollten sie das Gen ausschalten, indem sie es durch ein spezielles Genkonstrukt ersetzten. Dazu injizierten sie das Genkonstrukt zusammen mit dem CRISPR/Cas9-System in eine befruchtete Eizelle. Ob das Konstrukt tatsächlich eingefügt wurde, testeten sie mit der Polymerase-Kettenreaktion-Methode (PCR).

Entgegen den Erwartungen des Forschungsteams trugen nur wenige der Nachkommen den erwünschten Geneinschluss. Weitere, spezifischere Gentests führten zu einer noch Besorgnis erregenderen Entdeckung: bei einem grossen Teil der Mäuse wurden bis zu drei Kopien der eingefügten Gensequenz vorgefunden. Wiederholungen des Experiments mit anderen Genen ergaben ähnliche Resultate. Wie die Wissenschaftler vermuten, handelt es sich dabei nicht um einen Einzelfall. Solche beunruhigenden Effekte, die von einer Standard-PCR nicht erkannt werden, sind für praktisch alle gentechnischen Veränderungen in allen Lebewesen zu erwarten. Unter anderem dies zu schädlichen Mutationen und missgebildeten Proteinen führen. Dass dieses Phänomen zum Alltag der Gentechnik gehört, bestätig Katharina Boroviak. Laut der britischen Gentechnologin, die solche Duplikate auch selber beobachtet hat, soll der Effekt den meisten Forschern bekannt sein. Umso wichtiger sei die neu veröffentlichte Publikation, die alle Labore auf diese Gefahr aufmerksam mache, so Boroviak.

Einmal mehr wird also die fälschlich behauptete hohe Präzision des neuen gentechnischen Werkzeugs widerlegt und die Zweifel an der Sicherheit der Genschere bestätigt. CRISPR ist nur oberflächlich betrachtet ein leicht handhabbares Werkzeug, das das Genom ähnlich einem Texteditierungsprogramm umschreiben kann. In der Realität sind die DNA-Reparaturprozesse so komplex, dass die Wissenschaft nur einen Bruchteil davon versteht. Öfter als bisher vermutet, misslingen daher Forschungsvorhaben oder es treten Nebeneffekte auf. Solche Fehler können nicht nur bei menschlichen Gentherapien schwerwiegende Folgen haben. Auch bei der Manipulation anderer Lebewesen, wie zum Beispiel Nutzpflanzen oder Tiere, könnten sie eine Gefahr für die Gesundheit und die Umwelt darstellen.

Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass die Schweiz das Vorsorgeprinzip stärkt und dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes folgt, indem sie die neuen gentechnischen Verfahren dem Gentechnikrecht unterstellt. Nur so kann eine gründliche Risikoprüfung mit spezialisierten, hochsensiblen Analysemethoden sichergestellt werden.

Der Artikel in Science Advances

The Scientist

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