170921Genomediting3Welche Folgen die Genom-Editierung hat, weiss die Wissenschaft nicht. Illustration: Aurel Märki

Mit der sogenannten Genom-Editierung gewinnt die Diskussion um die Gentechnik wieder an Fahrt. Noch bevor konkrete, marktfähige Produkte verfügbar sind, werden ihre Eigenschaften hochgelobt und über deren Zulassung gestritten. Unverständlich, denn es gibt klare Regeln: Im Gentechnikgesetz. Neue Gentechnik-Verfahren sind Gentechnik. Schon der Name macht es deutlich. Eine Technologie, die als Bezeichnung den Begriff „Genom-Editierung“ verwendet, muss unter das Gentechnikgesetz fallen und die dort vorgeschriebenen Riskiobeurteilungen durchlaufen. Und sollten diese Produkte zukünftig eine Marktzulassung erhalten, schreibt das Gentechnikgesetz eine Deklarationspflicht vor, damit die Konsumierenden selber entscheiden können, ob sie gentechnisch veränderte Nahrungsmittel essen wollen oder nicht. Diese Wahlfreiheit ist ein wichtiges Gut und gesetzlich verankert.

Ob die mit Genom-Editierung genetisch veränderten Produkte, seien es pflanzliche oder tierische, sich nicht von natürlich gezüchteten unterscheiden lassen, wie dies ihre Promotoren lautstark verkünden, ist keinesfalls bewiesen. Es ist eine Behauptung ohne jede wissenschaftliche Basis. Bereits das gewaltsame Eindringen in die Zelle, das für die Genom-Editierung notwendig ist, beinhaltet ein Risiko. Welche Folgen dieser Eingriff hat, kann die Wissenschaft nicht sagen. Und die hoch gepriesene Präzision von CRISPR/CAS9 hat sich bereits als irrige Annahme erwiesen.

Eine neue Studie zeigt, dass die vielgelobte Genschere CRISPR/Cas9 viel weniger präzise ist als bisher angenommen. Forscher der Uniklinik der Columbia-Universität in New York zeigten auf, dass die Genschere nicht nur an der gewünschten Stelle im Erbgut schneidet, sondern hunderte von ungeplante Mutationen im Genom auslösen kann. Die Wissenschaftsgemeinschaft müsse die potenziellen Gefahren solcher „Off-Target“-Effekte der Genschere berücksichtigen, sagt Stephen Tsang, einer der Forscher, da Fehlschnitte an völlig unerwarteten Stellen des Genoms wohl viel häufiger seien als bislang angenommen.

Normalerweise werden bei solchen Experimenten nur Stellen im Genom auf unerwünschte Veränderungen untersucht, von denen aufgrund von Computerberechnungen angenommen wird, dass sie besonders gefährdet sind für Mutationen. Auf eine Analyse des vollständigen Genoms wird meist verzichtet.

Anstatt dass der Tatbeweis für die Unbedenklichkeit der neuen Gentechnik-Verfahren erbracht wird und diese einer umfassenden, unabhängigen Risikobeurteilung unterzogen werden, versuchen ihre Promotoren, sie am Gentechnikgesetz vorbeizuschleusen. Die Schweizer Akademien der Naturwissenschaften SCNAT setzt sich dafür ein, dass die neuen gentechnischen Verfahren im Anhang der Freisetzungsverordnung in die Liste der Techniken aufgenommen werden, die nicht unter das Gentechnikgesetz fallen - wie beispielsweise die ebenfalls umstrittene Cytoplastenfusion.

Es erscheint aber fraglich, wie diese Mogelpackung den Konsumierenden schmackhaft gemacht werden soll. Es gibt in Europa nach wie vor keinen Markt für gentechnisch veränderte Produkte – daran werden auch die neuen gentechnischen Verfahren nichts ändern. Es braucht einen alternativen Technologiepfad für Bio- und andere nachhaltige Produktionssysteme. Die Wahlfreiheit erfordert zwingend ein stärkeres Engagement der Öffentlichkeit im Bereich GVO-freie Pflanzenzüchtung.