SAG-Vortrag
Für eine Welt ohne Gentechnik
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Nanotechnologie
Die SAG beobachtet die Entwicklungen in der Nanotechnologie bei Lebensmitteln, Gebrauchsartikeln und in der Landwirtschaft seit Längerem kritisch. Ausführliche Informationen dazu auf der Unterseite Nanotechnologie.
Fokusartikel
Entwicklungen im Bereich Molecular Farming
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Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 127
Rosa Sojabohnen und Mais mit Blutgeschmack - Entwicklungen im Bereich Molecular Farming
Weltweit setzen immer mehr Firmen auf Molecular Farming, um Produkte für die Lebensmittelindustrie herzustellen. Dabei wollen sie in Nahrungsmittelpflanzen auch Tierproteine erzeugen, die Allergien auslösen können. In den USA hat die Lebensmittelbehörde die Firmen jetzt vor den Risiken gewarnt.
In Europa droht eine weitreichende Deregulierung der neuen Gentechnik
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Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 126
In Europa droht eine weitreichende Deregulierung der neuen Gentechnik
Anfang Juli hat die EU-Kommission einen Verordnungsentwurf zur Deregulierung der neuen gentechnischen Verfahren vorgestellt. Wird dieser angenommen, droht der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft in Europa das Aus.
Technologien wie CRISPR/Cas blockieren die wirklich wichtigen und dringlichen Umbaumassnahmen in der Landwirtschaft. Daher sollte ihre Deregulierung auch in der Schweiz entschieden bekämpft werden.
Gentechnik könnte bald auch den Wald erobern
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Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 125
Weitreichende Gefahr für die Biodiversität: Gentechnik könnte bald auch den Wald erobern
Rummel und Euphorie um gentechnisch veränderte Bäume begannen mit dem Versprechen von Forschung und Industrie, Bäume mit Gentechnik so zu verändern, dass sie schneller wachsen, Trockenheit, Kälte und Schädlingen widerstehen und Herbizidbehandlungen vertragen, um sie für industrielle Plantagen rentabler zu machen. Diese kommerziellen Zwecke stehen nach wie vor im Mittelpunkt der Forschung, doch zunehmend werden Ideen propagiert, wie gentechnisch veränderte Bäume für den Klima- und Naturschutz eingesetzt werden könnten. Umweltorganisationen bezeichnen derartige Projekte als trojanisches Pferd, mit dem der kommerzielle Einsatz von Gentechnik bei Bäumen bei der Bevölkerung salonfähig gemacht werden soll.
Neue Gentechnik – eine Bedrohung für Bestäuberinsekten
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Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 124
Neue Gentechnik – eine Bedrohung für Bestäuberinsekten
Bestäubende Insekten sind wichtig für die biologische Vielfalt, die Funktionen des Ökosystems und die Sicherstellung der Nahrungsmittelproduktion. Die Freisetzung von Organismen, Produkten oder Bestandteilen, die mithilfe der Gentechnik gewonnen werden, droht die derzeitigen Stressfaktoren, denen Bestäuberinsekten bereits ausgesetzt sind, zu verstärken.
Biotechnologische Hilfsstoffe in der Landwirtschaft
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Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 123
Kommen bald Gentech-Mikroben auf die Felder?
Noch spielen Produkte mit gentechnisch veränderten Mikroben in der Landwirtschaft kaum eine Rolle – nur eine Handvoll davon sind bisher auf dem Weltmarkt erhältlich. Doch jetzt beginnen immer mehr Firmen damit, Dünger und Pflanzenschutzmittel zu entwickeln, die aus Gentech-Mikroben bestehen. In der Schweiz wären diese Produkte nicht vom GVO-Moratorium erfasst. Zeit, einen Blick auf die Entwicklungen zu werfen.
Text: Benno Vogel
Selten ist so viel Geld in ein Start-up der Agrarforschung geflossen wie in Pivot Bio: 600 Millionen US-Dollar hat die kalifornische Firma in den letzten vier Jahren erhalten – unter anderem von Microsoft-Gründer Bill Gates und Amazon-Chef Jeff Bezos. Dass das Interesse der Investoren so gross ist, liegt an Proven und Return, den beiden Produkten, die Pivot Bio bislang in den USA auf den Markt gebracht hat. Beide Produkte sind Dünger für Getreide – Proven für Mais, Return für Hirse und Weizen. Und beide Produkte bestehen aus Bodenbakterien, die Stickstoff aus der Luft fixieren und an die Pflanzen weitergeben. Das Besondere daran? Bisher waren Dünger aus stickstofffixierenden Bakterien weitgehend auf Gemüse wie Soja, Erbsen und Bohnen beschränkt. Bei Getreide hingegen sind sie ein Novum. Damit öffnet sich ein riesiger Markt, der bislang auf die Düngung mit chemisch erzeugtem Stickstoff setzte. Eine weitere Besonderheit von Proven und Return: Die Bakterien, die sie enthalten, sind gentechnisch verändert.
Marktpotenzial für Gentech-Mikroben steigt
Noch sind Produkte mit Gentech-Mikroben in der Landwirtschaft eine Rarität; weltweit sind nur eine Handvoll davon auf dem Markt erhältlich. Doch jetzt dürfte sich das ändern. Denn neben Pivot Bio haben weitere Firmen begonnen, gentechnisch veränderte Mikroorganismen für die Landwirtschaft zu entwickeln. Dass das Interesse an Gentech-Mikroben derzeit steigt, liegt vor allem an drei Faktoren: Erstens ist die Entwicklung neuer Mikrobenstämme dank technischer Fortschritte so leicht und kostengünstig wie noch nie. Zweitens haben in den letzten Jahren etliche Länder entschieden, neue Verfahren wie die Genomeditierung nicht mehr als Gentechnik zu regulieren. Damit ist etwa die Zulassung von Gentech-Mikroben, die keine artfremden Gene besitzen, ebenfalls so leicht und kostengünstig geworden wie nie zuvor. Die in Proven und Return enthaltenen Bakterien beispielsweise konnten in den USA ohne gentechnikrechtliche Zulassung auf den Markt kommen. Der dritte und vielleicht wichtigste Grund: Der potenzielle Markt für Gentech-Mikroben wächst ständig. Bisher war er klein, weil Dünger und Pestizide, die aus Pilzen, Viren oder Bakterien bestehen, vor allem im Biolandbau zum Einsatz kommen und dort gentechnisch veränderte Organismen generell verboten sind. Wachsen tut er jetzt, weil Politik und Gesellschaft verstärkt die Abkehr von Kunstdüngern und chemisch-synthetischen Pestiziden fordern und mikrobielle Produkte nun als Alternative zunehmend auch in der konventionellen Landwirtschaft Verwendung finden.
Knöllchenbakterien bilden an den Wurzeln der Hülsenfrüchtler Knöllchen, in denen sie den Stickstoff der Luft binden und für die Pflanze verfügbar machen. Gentech-Mikroben werden u. a. als Stickstoffdünger für Kulturpflanzen entwickelt, die keine solchen Symbionten besitzen (Bild: Shutterstock).
Stickstoffdüngung
Wie gross das Interesse an der Entwicklung von Gentech-Mikroben ist, zeigt sich vor allem bei Düngern. Hier sind nebst Pivot Bio eine Reihe von Konzernen aktiv. Einer davon ist Novozymes. Das dänische Unternehmen, das mit der Herstellung von Enzymen gross geworden ist, forscht seit einigen Jahren auch an mikrobiellen Agrarprodukten. In einem seiner Projekte will der Konzern dabei stickstofffixierende Bakterien durch Genomeditierung so verändern, dass sie 25 Prozent des für Mais benötigten Kunstdüngers ersetzen können. Auch Bayer hat die Stickstofffixierung im Visier. In Kooperation mit Pivot Bio arbeitet der deutsche Multi etwa an neuen Stämmen von Bradyrhizobium. Bakterien9 dieser Art leben in Wurzelknöllchen von Soja und versorgen die Pflanze mit Stickstoff aus der Luft. Mit Gingko Bioworks wiederum, einem führenden Unternehmen der Synthetischen Biologie, will Bayer Gentech-Bakterien kreieren, die bei Getreide für die Stickstoffdüngung einsetzbar sind. Die Zusammenarbeit begann 2018 mit einem Startkapital von 100 Millionen US-Dollar. 2020 ist auch der zweitgrösste Düngerhersteller der Welt, Mosaic Company, in die Entwicklung stickstofffixierender Bakterien eingestiegen. Der US-Konzern unterstützt seither das Start-up BioConsortia, das Bakterien für die Düngung von Mais und Weizen herstellt und dabei neben Methoden der traditionellen Stammverbesserung auch Genomeditierung einsetzt.
Gentech-Varianten von Bacillus thuringiensis werden als Pestizide gegen Schädlinge entwickelt. Gentechfreie Stämme des giftbildenden Bakteriums werden auch im Biolandbau verwendet – etwa gegen Raupen des Grossen Kohlweisslings (Bild: Shutterstock).
Giftbildende Bakterien
Ein weiterer Bereich, in dem Firmen Gentech-Mikroben entwickeln, ist der Pflanzenschutz. Auch hier sind bereits erste Produkte auf dem Markt – so etwa Jinweijun von Wuhan Kernel Biotech, das in China seit 2017 als Insektizid zugelassen ist, oder Crymax und Lepinox von Certis, die im Obst- und Gemüsebau der USA bereits seit mehreren Jahren zum Einsatz kommen. Die drei Produkte haben gemeinsam, dass sie Bacillus thuringiensis enthalten, ein Bodenbakterium, das natürlicherweise Insektengifte bildet. Indem die Firmen Giftgene unterschiedlicher Bacillus-Stämme in einem einzelnen Stamm vereint haben, haben sie jeweils Produkte erzeugt, die mehrere Gifte bilden und deshalb stärker wirken oder auch ein breiteres Wirtsspektrum haben. Giftbildende Bakterien will auch die US-Firma Pebble Labs auf den Markt bringen. Für die Entwicklung ihrer Directed Biotics genannten Pestizide setzt sie auf ein Konzept, das derzeit viel Beachtung findet: Die Verwendung von Gentech-Mikroorganismen, die doppelsträngige RNA – kurz dsRNA – bilden. Dieser Stoff löst in Zellen den RNAi-Prozess aus, was sich nutzen lässt, um in Schädlingen gezielt lebenswichtige Gene stillzulegen. Pebble Labs testet derzeit, welche Arten von Bakterien sich eignen, um giftige dsRNA zu den Schädlingen zu bringen. Während Pebble Labs auf den Einsatz lebender Gentech-Mikroben setzt, arbeiten Firmen wie TransAlgae oder Renaissance Bioscience mit abgetöteten Organismen. Sie hoffen, ihre Produkte damit leichter durch die Zulassungsverfahren zu bringen, fallen inaktivierte Gentech-Mikroben doch in vielen Ländern nicht unter die strengen Gentechnikgesetze. Das israelische Startup TransAlgae stellt dsRNAbildende Mikroalgen her und inaktiviert sie dann im Gefriertrockner, bevor es sie als Pulver aufs Feld bringt. Die kanadische Firma Renaissance Bioscience wiederum entwickelt dsRNA-bildende Bierhefe, die sie vor dem Ausbringen mit Alkohol abtötet. Dass dieser Weg funktionieren könnte, zeigte sich 2021 bei Versuchen mit dem Kartoffelkäfer. Auch chromosomenfreie Minizellen, die von Gentech-Bakterien stammen, könnten vielerorts von der Gentechnikregulierung ausgenommen sein. Firmen testen sie derzeit als Behälter, um dsRNA oder auch giftige Peptide auf die Felder zu bringen. Die US-Firma AgroSpheres zum Beispiel hat in ihrer Produktepipeline Minizellen mit dsRNA, die Erdbeeren vor Grauschimmel schützen.
Der vom Pilz Botrytis cinerea verursachte Grauschimmel kann bei Erdbeeren unter ungünstigen Witterungsbedingungen den gesamten Fruchtbesatz zunichtemachen. Grauschimmel ist eine der Krankheiten, wogegen dsRNA-bildende Mikroben entwickelt werden (Bild: Shutterstock).
Neben Düngern und Pestiziden gehören auch Biostimulanzien zu den Betriebsmitteln, für die Gentech-Mikroben in Entwicklung sind. Der deutsche Konzern BASF etwa will in Brasilien Bacillus-Präparate auf den Markt bringen, die im Boden mehr Nährstoffe für Pflanzen verfügbar machen. Dazu hat er die Bakterien so verändert, dass sie Enzyme bilden, die die organische Substanz um die Wurzeln herum abbauen. Da beim Eingriff keine gattungsfremden Gene zum Einsatz kamen, haben die zuständigen Behörden 2021 entschieden, dass das Präparat in Brasilien ohne gentechnikrechtliche Zulassung vermarktet werden kann. Auch die US-Firma Elemental Enzymes hat Biostimulanzien mit Bacillus-Arten in der Pipeline. Gingko Bioworks wiederum besitzt ein Patent für veränderte Paenibacillus-Bakterien, mit denen sich wachstumsfördernde Proteine in Pflanzen bringen lassen.
Moratorium auch für Gentech-Mikroben?
Ob und wann Zulassungsgesuche für Gentech-Mikroben auch in der Schweiz eingereicht werden, ist unklar. Klar ist hingegen, dass sie vom geltenden GVOMoratorium nicht erfasst wären. Denn das gilt nur für Pflanzen und Tiere. Ob die Reichweite des Moratoriums auf Mikroben auszudehnen ist? Das ist eine der Fragen, die die Politik diskutieren dürfte, wenn 2025 über die erneute Verlängerung des Moratoriums entschieden wird. Bisher spielen Mikroben in der Debatte über das Für und Wider von Gentechnik in der Schweizer Landwirtschaft kaum eine Rolle. Damit bleiben auch die Fragen, die mit ihrer möglichen Markteinführung einhergehen, unbesprochen. Welche Risiken bergen Gentech-Mikroben? Sind Produkte denkbar, die der hiesigen Landwirtschaft einen Mehrwert bringen? Gibt es Wissenslücken, die vor der Markteinführung zu schliessen sind? Absehbar ist, dass die Industrie wie es aktuell bei Pflanzen der Fall ist, bald auch bei Mikroben fordern wird, genomeditierte Varianten aus der Gentechnikgesetzgebung herauszunehmen. Wahrscheinlich ist auch, dass beim Ausgang der hiesigen Diskussionen die Situation in der EU eine Rolle spielen wird. Dort hat die EU-Kommission jüngst zwar den Entscheid über eine Deregulierung genomeditierter Mikroben erst mal auf unbestimmte Zeit vertagt. Sie hat aber ihre Behörden damit beauftragt, sich auf die Markteinführung von Gentech-Mikroben vorzubereiten: Die Gemeinsame Forschungsstelle befasst sich mit Nachweisverfahren für genomeditierte Mikroben und die Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA geht der Frage nach, ob die bestehenden Leitlinien für die Risikobewertung von Gentech-Mikroben ausreichen.
Gentherapiemittel für Pflanzen
Während die Debatte über Gentech-Mikroben in der Landwirtschaft erst beginnt, arbeitet die Forschung bereits an einer nächsten Generation von Hightech-Mikroorganismen. So zum Beispiel an Bakterien für Trait-Sprays, das sind Mittel zur gezielten Beeinflussung der Aktivität von Pflanzengenen: Forschende der Chinesischen sischen Akademie der Agrarwissenschaften haben hierzu Bakterien so verändert, dass sie ein künstliches Protein bilden, das sich im Erbgut von Reiszellen gezielt an den Schalter eines Gens namens NOG1 heftet und damit dessen Aktivität erhöht. Wird Reis mit diesen Bakterien besprüht, bildet er – dank der Aktivierung des NOG1-Gens – 10 Prozent mehr Körner als üblich. In der Entwicklung sind zudem Mikroben, die wie eine Art Gentherapie für Pflanzen wirken. Dazu sollen Agrobakterien und Viren als Fähren nutzbar gemacht werden, um auf den Feldern DNA oder mRNA in Pflanzen einzubringen. Da sich damit steuern lässt, welche Proteine eine Pflanze bildet, sollen so Mittel entstehen, mit denen sich Eigenschaften von Pflanzen je nach Bedarf ändern lassen. Der deutschen Firma Nomad Bioscience ist es in Freisetzungsversuchen bereits gelungen, auf diese Weise Tomaten mit Zwergwuchs zu kreieren. Ein ähnliches Konzept verfolgen Forschende, die im Bereich der sogenannten In-situ-Gentechnik arbeiten: Sie wollen Viren mit der Anleitung für die Bildung der Genschere CRISPR auf die Felder bringen, um damit Pflanzen oder auch Bodenbakterien je nach Bedarf direkt in der Umwelt gentechnisch zu verändern. Bis Trait-Sprays und Gentherapiemittel kommerzielle Realität werden, dürfte es noch eine paar Jahre dauern. Klar ist aber jetzt schon, dass diese Mittel die Möglichkeiten zur Kontrolle und Manipulation der Natur massiv erweitern könnten.
Autor
Benno Vogel ist freischaffender Biologe in Winterthur und Berlin. Seit 25 Jahren bietet er Beratungen zu Gen- und Biotechnologie für NGOs und Behörden an.
Wissenschaftler und Politexperten warnen
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Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 122
Genomeditierung ist keine «Präzisionszüchtung»
Deregulieren heisst das neue Zauberwort in der gegenwärtigen krisengeschüttelten Welt. In Grossbritannien hat die Regierung einen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der darauf abzielt, die regu–latorischen Kontrollen im Zusammenhang mit der Genomeditierung zu schwächen oder gar aufzuheben. Er trägt den Namen «Genetic Technology (Precision Breeding) Bill». Auch in der EU haben verschiedene Gruppen, die sich für die Deregulierung der neuen gentechnischen Verfahren einsetzen, den Begriff Präzisionszüchtung übernommen, um die neue Gentechnologie zu beschreiben.
Text: Zsofia Hock und Paul Scherer
Im September dieses Jahres wandten sich 80 namhafte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Politik mit einem offenen Brief gegen die Deregulierungsabsichten und die dabei verwendeten Begrifflichkeiten. Der Begriff Präzisionszucht zur Beschreibung der Genomeditierung sei sowohl technisch wie wissenschaftlich ungenau und führe daher das Parlament, die Regulierungsbehörden und die Öffentlichkeit in die Irre. Gemäss ihrer persönlichen Fachkompetenz sei Genomeditierung einerseits nicht präzise und andererseits entspreche sie nicht der allgemeingültigen Definition von Züchtung, schreiben sie.
Was es mit der Präzision auf sich hat
«Der einzige Aspekt bei der Genomeditierung, der präzise ist, ist der anfängliche Doppelstrangschnitt in der DNA, der auf eine bestimmte Stelle ausgerichtet werden kann. In den verschiedenen Phasen des gentechnischen Eingriffs treten jedoch auch verschiedene Arten von unbeabsichtigten Schäden auf, sowohl an der beabsichtigten Editierstelle (on target) als auch an anderen Stellen im Genom des Organismus (off target)», sagt der britische Biotechnologe Michael Antoniou, der den offenen Brief initiiert hat.
Was bedeutet der Begriff Züchtung
Als Dozent für Molekulargenetik und Leiter der Genexpression and Therapy Group am King’s College London verfügt Antoniou über langjährige Erfahrung in der Erforschung der molekularen Mechanismen der Genregulation. Er stützt sich auf zahlreiche von Experten begutachtete Studien, die auf unbeabsichtigte genetische Veränderungen durch die neuen Verfahren hinweisen. Eine Durchsicht der aktuellen Literatur zeigt vor allem auch, dass sich die durch Genomeditierung hervorgerufenen Veränderungen von solchen unterscheiden, die bei der konventionellen Züchtung (zwischen sexuell kompatiblen Organismen) auftreten, einschliesslich der sogenannten Mutagenese-Züchtung. Denn durch die Technik der Genomeditierung wird das gesamte Genom für Veränderungen zugänglich, während bei den obengenannten Züchtungsprozessen einige Regionen des Genoms vor Mutationen geschützt sind. Wie jüngste Forschungen an Pflanzen bestätigen, sind dies Bereiche des Genoms, die an überlebenswichtigen Prozessen des Organismus beteiligt sind. Diese Erkenntnisse stehen im klaren Widerspruch zur Behauptung gentechnikbefürwortender Kreise, mit einer Genschere induzierte Mutationen seien nicht von natürlichen zu unterscheiden. Bei der Genomeditierung handelt es sich um eine künstliche gentechnische Veränderung im Labor, die einen direkten Eingriff des Menschen in das Genom beinhaltet (siehe Abbildung auf Seite 9). Es sei folglich offensichtlich, dass dieses Verfahren keine Ähnlichkeit habe mit Züchtung, wie sie normalerweise definiert und verstanden werde, heisst es im offenen Brief an die Behörden in Grossbritannien.
Gentechnische Veränderungen beim Leindotter wirken sich auf das gesamte Nahrungsnetz aus, an dem er teilhat – etwa auf Bestäuber–insekten, die sich von seinem Nektar und Pollen ernähren. Wird die Fettsäurezusammensetzung vom Leindotter gentechnisch angepasst, kann dies einen Einfluss auf die Lernfähigkeit der Bienen haben, welche die Blüten der Pflanze besuchen (Bild: Wikipedia).
Beschönigende Begriffe sind Bestandteil einer Marketingoffensive der Gentechnikindustrie
Besonders seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs EuGH im Juli 2018, die neuen Gentechnikverfahren seien Gentechnik und gemäss den gültigen Gentechnikrichtlinien zu regulieren, versuchen Gentechnikin–dustrie und -forschung mit aufwendigen und wohl auch teuren Marketing–kampagnen Öffentlichkeit und Aufsichtsbehörden weltweit davon zu überzeugen, dass die Technologie der Genomeditierung natürlich, genau, kontrollierbar und daher sicher sei. Argumentiert wird dabei mit Begriffen und Verkürzungen, die wissenschaftlich nicht haltbar sind. Hinter dem Versuch, die fundamentalen Unterschiede zwischen Gentechnik und traditioneller Züchtung zu verwischen, verbirgt sich insbesondere auch die Absicht, die Reichweite von Patenten auszudehnen, so dass diese sich auf alle Organismen (Pflanzen oder Tiere) mit der im Patent beschriebenen Eigenschaft erstrecken.
Vielfältige Fehlerrisiken vs. Abschaffung der unabhängigen Risikoprüfung
Sich einen Überblick zu verschaffen, was Genomeditierung beinhaltet, ist in der Tat viel komplexer, als dies von industrienahen Forschenden gemeinhin dargestellt wird. Die neue Gentechnik beschränkt sich nicht auf die meistumschwärmte Genschere CRISPR/Cas9. Gemäss Recherchen1 der deutschen Fachstelle Gentechnik und Umwelt (FGU) dominieren seit 2014 Projekte mit der Genschere CRISPR/Cas9 die marktorientierten Vorhaben bei Pflanzen (174 Studien). Es wurden aber auch neuere Verfahren, wie CRISPR/Cpf18, CRISPR/Cas13a und Base Editing verwendet und selbst die älteren zielgerichteten Schneideenzyme, TALENs (künstliche sequenzspezifische Restriktionsenzyme) und Zinkfinger-Nukleasen, wurden genutzt, wenn auch zu einem geringeren Anteil. Ungefähr 80 % aller Genomeditierungsversuche verwendeten das Bakterium Agrobacterium tumefaciens, um die genetische Information zur Bildung der Genschere in die pflanzlichen Zellen einzuschleusen, rund 10 % den Partikelbeschuss. Beide Verfahren wurden bereits bei der klassischen Gentechnik verwendet und können bekanntlich unbeabsichtigte Fehler im Erbgut verursachen. Nur ein geringer Anteil (ca. 1 %) schleust die Genschere als bereits gebildeten Enzymkomplex ein. Ein Hintergrundpapier der FGU zeigt, dass jede der unterschiedlichen Anwendungen dieser Techniken mit eigenen spezifischen Risiken verbunden ist. Eine Recherche auf Google Scholar zeigt, dass die Genomeditierung bei weitem nicht so weit entwickelt ist, wie dies gerne dargestellt wird. Allein im Jahr 2021 wurden über 10 000 Studien zum Thema Verbesserungen der Genschere publiziert. Bereits kleinste Veränderungen mit der Genschere können auch ohne Einfügung von artfremder DNA (Transgen) Genfunktionen so beeinflussen, dass Stoffwechselwege und Inhaltsstoffe erheblich verändert werden, besonders wenn sie mehrfach und in Kombination durchgeführt werden (sogenanntes Multiplexing). Daraus resultieren neue, nicht vorhersehbare Risiken wie beispielsweise die Produktion neuer Toxine oder Allergene. Ob respektive welche Auswirkungen solche Veränderungen auf ein Ökosystem haben, in dem Pflanzen Teil eines Nahrungsnetzes sind und mit verschiedenen anderen Organismen in wechselwirkenden Beziehungen stehen, ist nur mit einer umfassenden Prüfung feststellbar.
Risikoprüfung: Prozessorientiert statt produktbasiert
Dieser mangelnde Wissensstand zu den Risiken spricht für die Anwendung strengerer Vorschriften bei der Zulassung genomeditierter Pflanzen und Tiere und keinesfalls für eine Abschwächung. Würde die Risikoprüfung den Herstellern überlassen, könnte dies dazu führen, dass unsichere Produkte auf dem Markt landen. Ein Beispiel hierfür ist der genomeditierte Stier Buri2. Mit ihm wollte eine US-Firma hornlose Kühe für den brasilianischen Markt züchten. Doch dann entdeckten Forschende der US-Lebensmittelbehörde FDA, dass Buri in seinem Erbgut neben der Änderung, die zur Hornlosigkeit führt, zusätzlich auch Antibiotikaresis–tenzgene besitzt, die aus Bakterien stammen und beim Herstellungspro–zess aus technischen Gründen in die Zellen eingeführt worden waren. Von der Herstellerfirma war dies nicht entdeckt oder nicht kommuniziert worden.
Dasselbe Risiko besteht auch bei genomeditierten Pflanzen, wie Studien bei Mais, Reis und Soja belegen, bei denen die genetischen Informationen der Genschere CRISPR/Cas mit Hilfe des Agrobakteriums eingeschleust wurde3.
Da solche unentdeckten Veränderungen im Genom die Lebensmittel–sicherheit beeinflussen können, ist eine unabhängige, staatliche Sicherheitsprüfung unerlässlich. Eine verantwortungsvolle Risiko–beurteilung nach dem Vorsorgeprinzip kann nur dann durchgeführt werden, wenn den Regulierungsbehörden eine genaue Charakterisierung eines jeden Produktes vorgelegt wird, das auf den Markt gebracht werden soll. Je genauer Herstellerfirmen den Entstehungsprozess dokumentieren müssen, desto besser kann bei einem Zulassungsantrag die Risiko–prüfung durchgeführt werden. Wie das Beispiel des Stiers Buri zeigt, ist dabei zu berücksichtigen, dass in den allermeisten Fällen eine Kombination von Techniken der alten und der neuen Gentechnik eingesetzt wird und neue Produkte mit den Fehlern beider Techniken behaftet sein können.
In Grossbritannien wurde daher die Forderung erhoben, dass der Begriff «precision breeding» ( Präzisionszüchtung) aus dem Titel des Gesetzent–wurfs gestrichen und durch eine korrekte und rein beschreibende Termi–nologie ersetzt werden müsse. Dies gilt nicht nur für Grossbritannien. Weltweit sollten Regierungen und Regulierungsbehörden dazu angehalten werden, die Verwendung von irreführenden Marketingbegriffen zur Beschreibung der neuen Gentechnik zu vermeiden und stattdessen wissenschaftlich und technisch korrekte Begriffe mit allgemein anerkannten Definitionen zu verwenden.
Die «normative Kraft des Fiktionalen» am Beispiel der Schweiz
Wie erfolgreich solche (Des-)Informationskampagnensein können, zeigt das Beispiel Schweiz. Bereits bevor im Herbst 21 im Parlament darum gestritten wurde, ob bei der Verlängerung des Gentechnikmoratoriums, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, auch die neuen Gentechnikverfahren eingeschlossen seien, lancierten die Gentechnikindustrie und die mit ihr verbandelten Wissenschaftskreise mit der Online-Plattform Science-based.ch eine aufwendige Werbekampagne, die sich solch vereinfachter Begriffe und Definitionen bediente, ohne transparent zu deklarieren, wer die Kampagne finanzierte. Ihre Argumente: Die Verfahren seien präzise und sicher. Bis 2050 brauche es eine Steigerung der Nahrungsmittel–produktion um 50 %, dies sei nur durch Innovation – welche mit Gentechnik gleichgesetzt wird – möglich. Wenig später wurde von Detailhandel und Produzentenorganisationen die Internetsite «Sorten für morgen» aufgeschaltet. Mit Erfolg. Die Medien berichteten ausführlich, der Ständerat kippte und verhinderte, dass die Moratoriumsverlängerung uneingeschränkt auch für die Genomeditierung gilt, wie dies zuvor der Nationalrat beschlossen hatte.
1 Hintergrundpapier: CRISPR/Cas – Beschreibung der Möglichkeiten. Fachstelle Gentechnik und Umwelt. www.fachstelle-gentechnik-umwelt.de/wp-content/uploadsFGU_Hintergrundpapier_Moeglichkeiten3.pdf
2 Gentechnik bei Tieren – Boom durch Genomeditierung, Studie SAG und Schweizer Tierschutz 2022. www.gentechfrei.ch/de/themen/nutztiere/3070-tierstudie
3 Hintergrundpapier: 2. Teil der Risiken: Inhärente Risiken von CRISPR/Cas Anwendungen, Fachstelle Gentechnik und Umwelt. www.fachstelle-gentechnik-umwelt.de/wp-content/uploads/FGU_CRISPR_Risiken2.pdf