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(Bild: Shutterstock, Urban Farming (städtische Landwirtschaft))

Fokusartikel Gentechfrei Magazin Nr. 113

Landwirtschaft mit Zukunft

Extreme Wetterereignisse oder neu sich verbreitende Schädlinge – die Landwirtschaft ist vom Klimawandel stark betroffen. Es sind dies Folgen eines Wandels, den sie mitverursacht. Der Zusammenhang zwischen den industrialisierten, auf Hochleistung und Gewinn fokussierten landwirtschaftlichen Praktiken und deren klimaschädigende Emissionen ist klar belegt. Trotzdem versucht die Agrarindustrie, dieses System mit Massentierhaltung und Monokulturen aufrechtzuerhalten. Anstatt das Problem an den Wurzeln zu packen und umweltverträgliche Lösungen zu suchen, wirbt sie für Symptombekämpfung mit Genomeditierung. Eine nur kurzfristig wirksame, jedoch lukrative Technologie mit potenziell gravierenden Folgen für Klima und Umwelt.

Text: Zsofia Hock

Die Landwirtschaft spielt beim Klimawandel eine Doppelrolle: Sie ist Täterin und Opfer zugleich. Dementsprechend muss zweigleisig nach Lösungen gesucht werden, um einerseits die negativen Auswirkungen der gängigen landwirtschaftlichen Praxis zu mindern und andererseits die Produktion an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
In der Schweiz verursacht die Landwirtschaft etwa 13 Prozent der Gesamtheit der klimaschädlichen Emissionen – weltweit liegt dieser Trend noch höher, bei 20 bis 25 Prozent. Unter den Treibhausgasen ist Kohlendioxid das bekannteste. Dieses Gas wird durch Energienutzung, Waldzerstörung und durch den Abbau der organischen Bodensubstanz als Folge der Landnutzung freigesetzt.

Methan
und Lachgas haben jedoch einen deutlich höheren Schadeffekt. Der wesentlichste Anteil am Ausstoss dieser beiden Gase ist auf die intensive Tierhaltung und die damit verbundene Kraftfutterproduktion zurückzuführen. So stammt Methan vorwiegend aus der Verdauung der Wiederkäuer. Beim Lachgas ist die Bodenbewirtschaftung die bedeutendste Quelle der Emissionen. Indirekt spielt auch die Tierhaltung durch den Anbau von Futterpflanzen und durch die Ausbringung und Lagerung von Mist und Gülle eine Rolle. Methan und Lachgas entweichen zudem auch bei der Herstellung von synthetischen Düngemitteln.

Die verschiedenen Treibhausgase, die bei landwirtschaftlichen Prozessen entstehen, beeinflussen sich gegenseitig. So kurbelt beispielsweise die Zufuhr von Stickstoffdüngern das Wachstum von Pflanzen an, wodurch sie mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen - ein klimaschonender Effekt. Doch die klimaschädliche Wirkung des Lachgases, das aus dem gedüngten Boden freigesetzt wird, übersteigt diesen. Deshalb ist eine ganzheitliche Betrachtung der verschiedenen Kreisläufe notwendig.

Mit der Genomeditierung hingegen wird versucht, an einzelnen Stellen ins System einzugreifen. Mal sollen methanbildende Mikroorganismen, welche im Pansen der Wiederkäuer leben, so verändert werden, dass sie weniger klimaschädliche Gase erzeugen, mal das Genom der Kuh selbst, damit die Weitervererbung dieser Mikroorganismen nicht begünstigt wird. Was dabei unverändert bleibt: die hoch industrialisierte, auf Leistung und Ertrag getrimmte Landwirtschaft mit all ihren negativen Auswirkungen, etwa die erhöhten CO2-Emissionen durch die Umwandlung von Wäldern zu Ackerland, hohe Lachgasemissionen durch synthetische Dünger beim Futteranbau, die Ausbreitung von Krankheitserregern in zu dichten Beständen oder Flächenkonkurrenz zwischen Futter- und Lebensmittelproduktion.

Für die Agrarindustrie scheinbar kein Problem: Für solche Hindernisse hat sie eine technologische Lösung bereit. Mit Genomeditierung sollen Pflanzen mit veränderter Wuchsform kreiert werden, die dichter aneinander gepflanzt werden können und die Düngemittel so auf eine geringere Fläche ausgebracht werden müssen. Oder mit Genomeditierung sollen Nutzpflanzen dazu befähigt werden, den Stickstoff aus dem Boden effektiver zu verwerten. Besonders verwegen: den ganzen Prozess der Fotosynthese umgestalten, so dass sie effektiver funktioniert und den Ernteertrag ohne zusätzlichen Dünger verdoppelt oder aber effektiver Kohlendioxid bindet. Hauptsache, die lukrative Intensivproduktion kann aufrechterhalten werden.

Landwirtschaft als Opfer der Klimaveränderung

KartoffelnDie Vielfalt ist die Grundlage der Agrarökologie. Alte Kartoffelsorten auf dem Markt. (Bild: Shutterstock)

Durch ihre Verbundenheit mit der Natur leidet die Landwirtschaft stark unter den negativen Auswirkungen des Klimawandels. Besonders schwer betroffen sind die südlichen Entwicklungsländer, welche über geringe Adaptationsmöglichkeiten verfügen. Doch auch in Mitteleuropa könnten die Dürresommer in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts stark zunehmen. Dies bedeutet, dass Kulturen wie Kartoffeln, die bisher ohne zusätzliches Wasser auskamen, bewässert werden müssen. Dabei werden mehr als 70 Prozent des weltweit verfügbaren Süsswassers bereits für die Bewässerung in der Landwirtschaft verwendet.

Die Ertragssicherheit ist auch durch andere Faktoren bedroht. Von den steigenden Temperaturen profitieren Schadinsekten aus wärmeren Gebieten. Zusammen mit neuen Pflanzenkrankheiten können diese die bisherigen geografischen Barrieren überwinden und sich ausbreiten. Starkniederschläge führen zu Bodenerosion und der Anstieg der Meere zur Versalzung von Ackerflächen. Welche Lösungsansätze hat die Gentechnologie hier zu bieten?

Genschere soll Pflanzen gegen Trockenheit wappnen

Fokus 113 PestizidSoja-Monokulturen für die Kraftfutterproduktion sind auf Kunstdünger und Herbizide angewiesen. Herbizidresistentes GV-Soja wächst bereits auf Millionen Hektar Land, und auch die Entwicklung neuer genomeditierter Sorten ist bereits weit fortgeschritten. Davon profitieren nur Saatguthersteller, Agrochemiekonzerne und Rinderzüchter, die billiges Fleisch produzieren können. (Bild: Shutterstock)

Eine Pflanzensorte, die trotz zunehmender Hitze und Trockenheit in unterschiedlichen Regionen prächtig gedeiht und zuverlässig hohe Erträge bringt – davon träumen die Agrarkonzerne. Doch lassen sich so unterschiedliche Anforderungen unter einen Hut bringen? Bereits vor 20 Jahren wurden solche Wunderpflanzen angekündigt. Damals war es die klassische Gentechnik. Sie versagte. Nun soll es die Genomeditierung richten. Diese sei schnell und genau und erlaube gar gleichzeitig multiple Eingriffe ins Genom, preist die Gentechlobby.

Der Grund, warum die klassische Gentechnik keine befriedigenden Ergebnisse zustande brachte, ist darin zu suchen, dass Trockenheitstoleranz ein komplexes Merkmal ist. Die Strategien, mit denen eine Pflanze mit der Trockenheit umzugehen versucht, werden durch ein ineinandergreifendes Netzwerk zahlreicher genetischer Funktionen gesteuert. Wird das Wasser knapp, muss sich die Pflanze auf das Überleben fokussieren und alle anderen, nicht überlebenswichtigen Funktionen, wie Wachstum oder Samenproduktion, pausieren. Die Pflanze muss zwischen Stressabwehr und Ertrag «abwägen». Bei Hochleistungssorten führt dies meistens zu Ertragsseinbussen. Folgt auf eine niederschlagsarme Periode eine kühle, regnerische Zeit, ist von den Pflanzen eine erneute Anpassung gefragt. Darauf ist eine gentechnische Veränderung nicht ausgerichtet und der Ertrag sinkt zusätzlich.

Mit der Genomeditierung kann das Genom an verschiedenen Stellen gleichzeitig manipuliert werden. Biotechniker erhoffen sich, diese miteinander verknüpften genetischen Prozesse voneinander trennen zu können und mittels Genschere gleichzeitig an mehreren Stellen in das genetische Netzwerk der Trockenheitstoleranz einzugreifen. Blütezeit, Wurzelarchitektur, Anzahl der für die Verdunstung verantwortlichen Spaltöffnungen sowie die Produktion der Cuticula – eine wachsartige Schutzschicht gegen Wasserverlust – sollen zeitgleich angepasst werden, ohne dass dies einen Einfluss auf den Ertrag haben soll.

Doch es gibt noch viele Haken. Die Messungen im Gewächshaus oder auf Kleinparzellen basieren auf stark vereinfachten Modellen, welche Faktoren wie die natürliche Variabilität der Bodenbeschaffenheit und der Umweltfaktoren ausser Acht lassen. Wie eine Sorte auf Feldern mit unterschiedlichen Boden- und klimatischen Bedingungen reagieren wird, lässt sich aus diesen Experimenten nur sehr beschränkt ableiten.

Kommt hinzu, dass eine Pflanze – anders als es die Modelle annehmen – nicht gleich der Summe ihrer Bausteine ist. Lebewesen lassen sich nicht nach dem Baukastenprinzip umbauen. Das komplexe Netzwerk der Interaktionen zwischen Genen, Genprodukten und Umwelt lässt sich mit punktuellen Veränderungen des Genoms nicht abbilden – auch nicht, wenn gleichzeitig mehrere davon ausgeführt werden (sog. Multiplexing). Beim Multiplexing erhöht sich zudem das Risiko, dass unbeabsichtigt auch andere Prozesse beeinträchtigt werden, um ein Vielfaches. An verschiedenen Punkten etwas am Genom einer Hochleistungssorte herumzuschrauben, ist ohne Folgen nicht möglich. Die Chancen, dass die ungewollten Veränderungen im Genom unentdeckt bleiben, ist hingegen hoch. Für die Industrie ist es kurzfristig nebensächlich, ob der gentechnische Eingriff negative Nebeneffekte bei anderen Eigenschaften eines Organismus hervorruft, und so wird dementsprechend dies auch kaum untersucht.

Der Klimawandel zeichnet sich durch die Unberechenbarkeit des Auftretens verschiedener Wetterereignisse aus. Mal folgt auf einen sehr nassen Winter ein langer Dürresommer, mal ist die Wasserversorgung auch in der Winterzeit knapp oder auf eine Dürreperiode folgt eine Überflutung. In jedem Fall muss die Pflanze sich anpassen und anders reagieren. Eine derartige Anpassungsfähigkeit kann kein gentechnisch eingebrachtes einheitliches Programm bewirken.

Der Gentechnologie fehlt das Systemdenken

KüheDie intensive Massentierhaltung ist für einen erheblichen Teil der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen verantwortlich. In der Schweiz stammen über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Methanemissionen aus der Tierhaltung, insbesondere aus der Haltung von Rindvieh.(Bild: Shutterstock)

Etwas, was alle gentechnologischen Lösungsansätze gemeinsam haben, ist die fehlende gesamtheitliche Betrachtung der landwirtschaftlichen Produktionskette – die wichtigste Voraussetzung für nachhaltige Lösungen. Die Agrarindustrie setzt in erster Linie auf gewinnorientierte Marktprozesse und schnell einsetzbare Technologien, ähnlich wie vor zwanzig Jahren mit der klassischen Gentechnik. Doch wie damals fehlt auch heute das Systemdenken. Auch die Genomeditierung setzt nur bei Teilaspekten an. Wie sich das Herumschneiden an willkürlich ausgewählten Stellen im Genom längerfristig auf das Klima und die Natur auswirkt, wird bei diesem auf Gewinn fokussierten Vorgehen kaum berücksichtigt. An einer umfassenden Risikoforschung ist die Industrie nicht interessiert. So bleibt die Genomeditierung eine eingleisige Antwort auf Probleme, welche die intensive Landwirtschaft verursacht. Symptombehandlung statt Problemlösung. Dem Profit zuliebe wird eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft gefördert. Dadurch schwindet die Diversität – der angebauten Sorten, der Anbautypen und der
Wildarten –, welche die wichtigste Grundlage für anpassungsfähige landwirtschaftliche Systeme ist. Zur Verlangsamung des Klimawandels sind nach Einschätzung des Klimarates IPCC Ansätze, die grosse Landflächen benötigen, nicht nachhaltig. Vor allem weil die Konkurrenz um Landflächen zur Verdrängung der kleinbäuerlichen Betriebe führt, die für die Welternährung so wichtig sind.

Schlüssel zum Erfolg: Agrarökologie

Klar ist, dass für die Bewältigung der Probleme der heutigen Landwirtschaft dringend Lösungen benötigt werden. Zielführender als biotechnologische Ansätze sind systemorientierte Ansätze mit agrarökologischen Landwirtschaftstechniken. Die Notwendigkeit eines Systemwechsels hin zu Agrarökologie wird auch vom Weltklimarat und der Welternährungsorganisation FAO bestätigt. Doch was macht die Agrarökologie so stark? Im Gegensatz zur Gentechnologie handelt es sich um einen ganzheitlichen, interdisziplinären Ansatz, welcher auf der praktischen Zusammenarbeit von Wissenschaft, Bäuerinnen und Bauern und sozialen Bewegungen basiert. Agrarökologische Methoden erhöhen die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel und sie werden von den meisten der über 500 Millionen Kleinbauernfamilien, welche 80 Prozent aller weltweit konsumierten Lebensmittel produzieren, seit Jahrzehnten auf den Feldern praktiziert. Ihre Grundlage: Die auf Vielfalt basierende, an die regionalen Gegebenheiten angepasste lokale Produktion.

Mehr dazu im SAG-Dossier «Klimawandel – Warum Genomeditierung keine Lösung ist».
Zu bestellen bei der SAG oder zum Download hier.