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Das Vorsorgeprinzip müsse über wirtschaftlichen Interessen stehen, fordern die Critical Scientists Switzerland.

Der Verein Critical Scientists Switzerland (CSS) wendet sich gegen die Forderung der Schweizer Akademien der Wissenschaften, dass neue gentechnische Verfahren in der Pflanzenzucht nicht unter das Gentechnikgesetz fallen sollen. „Es gibt keinen wissenschaftlichen Konsens über die Sicherheit der neuen gentechnischen Verfahren,“ schreibt CSS. Darüber hinaus fehlten (Langzeit-)Daten zu deren Risiken. CSS fordert, dass die neuen gentechnischen Verfahren vor einer kommerziellen Anwendung einer strengen Risikoprüfung unterzogen werden, wie sie das Gentechnikgesetz vorsieht. Sonst würden das Vorsorgeprinzip sowie die Wahlfreiheit der Konsumenten und Konsumentinnen untergraben.

Im Gegensatz zur „alten“ Gentechnik soll es mit den neuen Verfahren, allen voran CRISPR-Cas9, möglich sein, ganz präzise in das Erbgut von Pflanzen einzugreifen. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz sprechen sich für deren kommerzielle Nutzung in der Schweizer Landwirtschaft aus. „Die Funktionsweise von Genen wird heute immer noch nicht ausreichend verstanden. Auch wenn man mit den neuen Verfahren Gensequenzen präziser schneiden- und wieder zusammenfügen kann“, meint Eva Gelinsky vom Vorstand der CSS. Wenn nicht verstanden werde wie und in was man genau eingreife, könne man nicht ausschliessen, dass damit gewisse Risiken verbunden seien. So gibt es inzwischen verschiedene Studien, die zeigen, dass die eingesetzten Enzyme immer wieder auch an anderen, nicht vorherbestimmten Stellen im Genom schneiden. Die vermeintliche Präzision der Verfahren werde allzu oft mit deren Sicherheit gleichgesetzt, fügt Gelinsky hinzu.

„Gene sind keine linearen Konstruktionsanweisungen, keine Baupläne für Organismen“, so die Agrarökologin und CSS-Vorstandsmitglied Angelika Hilbeck von der ETH Zürich. „Sie erfüllen auch nicht nur eine bestimmte Funktion. Gene sind meistens multifunktional. Wenn man, wie es mit den neuen Verfahren möglich ist, z. B. ein einzelnes Gen stilllegt, weil es mit einer Eigenschaft in Verbindung gebracht wird, die man nicht mehr haben will, muss man damit rechnen, dass noch ein paar andere Dinge ab- oder umgeschaltet werden. Es wird also in ein Netzwerk von rückgekoppelten Prozessen eingegriffen, von dem man nur einen Abschnitt kennt“, so Hilbeck weiter. Mit welchen Folgen? Wie werden sich Pflanzen, die im Labor die gewünschte Eigenschaft aufweisen, in der Umwelt verhalten, in der sie mit einer Vielzahl unterschiedlichster Faktoren interagieren und die selbst in einem ständigen Wandel begriffen ist? Andere, nicht erwünschte Effekte könnten, so Hilbeck, schwerwiegendere Folgen für Mensch, Tier oder Umwelt haben: Beispielsweise eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit der Pflanze, eine Anreicherung von Giftstoffen oder ein Anstieg von Allergenen. Da die neuen Technologien erst seit kurzem angewendet werden, können auch keine Langzeitdaten über Effekte von neuen gentechnischen Pflanzen für Umwelt und Gesundheit vorliegen. Umso zwingender ist es, dass das Vorsorgeprinzip zwingend zur Anwendung kommt.

CSS fordert, dass die neuen gentechnischen Verfahren und die daraus resultierenden Pflanzen vor ihrer Kommerzialisierung unter Anwendung des Vorsorgeprinzips ein Zulassungsverfahren zu durchlaufen haben, das auf einer umfassenden und unabhängigen Risikoprüfung basiert.