Nanotechnologie

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Der gesetzgeberische Umgang mit Nanomaterialien ist komplexer als ursprünglich angenommen. Bild: parlament.ch

Die SAG hat einen ausführlichen Kommentar zum zweiten Bericht des Bundesrates zum Aktionsplan Synthetische Nanomaterialien aus dem Jahre 2014 verfasst. Auf Grund dieser Analyse hat die SAG Präsidentin nun ein Postulat mit dem Titel „Synthetische Nanomaterialien. Regulatorische Lücken für den Konsumentenschutz schliessen“ im Parlament eingereicht. Im zweiten Bericht des Bundesrates zum Aktionsplan Synthetische Nanomaterialien wird eingestanden, dass regulatorische Lücken bei der Nanotechnologie bestehen. Der gesetzgeberische Umgang ist wegen der Vielfalt von Nanomaterialien und den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen komplexer als ursprünglich angenommen. Der Bundesrat hat deshalb beschlossen, den Aktionsplan bis 2019 fortzuführen.

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In einem navigierbaren 360°-Panorama einer Arbeitsumgebung sind verschiedene Stationen zu Nanomaterialien bei Textilien versteckt.  Bild: nano.dguv.de.

Nanomaterialien finden zunehmend Verwendung in der Textilherstellung und Textilveredlung. Es werden heute vor allem Nanomaterial-haltige Textilien angeboten, die wasser- und schmutzabweisend sind, antibakteriell wirken oder mit einem UV-Schutz ausgestattet sind. In Zukunft sollen so genannte intelligente Textilien (elektronische Textilien = e-textiles oder smart textiles) mit neuartigen Funktionalitäten und Eigenschaften auf den Markt kommen. Zurzeit gibt es in der Schweiz keine nanospezifische Regulierung von Nano-Textilien. Auch müssen die Nanomaterialien in den Textilien nicht deklariert werden. Inventare zeigen aber, dass Nanomaterialien in der Textilbranche bereits breit angewendet werden. Interessierte Bürgerinnen und Bürger können ihr Wissen zu Nanomaterialien bei Textilien überprüfen und verbessern. Das „Nanorama Textil“ hilft, sich auf spielerische Weise über Anwendungen von Nanotechnologien in Textilien zu informieren.

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In der EU müssen Nanomaterialien in Kosmetika gekennzeichnet werden. Auch in der Schweiz wird nun die Deklarationspflicht festgelegt. Bild: commons.wikipedia

Am 20. Juni 2014 wurde ein neues Lebensmittelgesetz im Parlament verabschiedet. Dies bedeutet, dass das Verordnungsrecht grundlegend überarbeitet werden muss. Dazu schickte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) nun die neuen Verordnungen zu Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständen in die Anhörung. Eingeschlossen sind dabei auch die kosmetischen Artikel. Die Vernehmlassung dauert bis Ende Oktober 2015. Sie umfasst eine Vielzahl von Verordnungen des Bundesrates, des EDI sowie des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Das neue Verordnungsrecht tritt voraussichtlich im ersten Halbjahr 2016 in Kraft. In der EU hat die Rechtssetzung zum Umgang mit Nanomaterialien eine beachtliche Dynamik erreicht. Die Schweiz will und muss die Regulierungen der EU inhaltlich und zeitlich möglichst nah ebenfalls vollziehen. Doch heute sind die regulatorischen Lücken in der Schweiz im Vergleich zur EU beträchtlich. Einige dieser Lücken sollen mit den nun revidierten Verordnungen bei Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen geschlossen werden.

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Risikoprofil von Nanosilber. Nanosilber wird auf Grund von neun Einzelkriterien als „rotes Nanomaterial“ mit hohem potenziellem Risiko eingestuft. Bild: versicherungswirtschaft-heute.de

Nanomaterialien bergen viel Potential für nützliche Anwendungen, sie haben aber auch unbekannte Risiken. Die Versicherungswirtschaft muss die Risiken aufkommender Technologien wie die Nanotechnologie bewerten und die Auswirkungen auf die Gesellschaft einschätzen. Grundsätzlich werden Risiken in der Versicherungswirtschaft anhand der Häufigkeit von Schadensereignissen und den daraus resultierenden finanziellen Auswirkungen eingeschätzt. Bei neuen Technologien wie der Nanotechnologie fehlen aber Schadensdaten weitgehend, da die kommerzielle Anwendung der Nanotechnologie erst über einen relativ kleinen Zeitraum erfolgt. Die Versicherungsbranche spricht von „emerging risks“, d.h. „aufkommenden Risiken“. Damit sind zukünftige, heute noch schwer abschätzbare Risiken gemeint, die durch neuartige Technologien entstehen können. Eindeutige Nachweise von Langzeitrisiken oder Ursache-Wirkungs-Beziehungen sind bei emerging risks oftmals noch nicht möglich. Die Versicherungswirtschaft muss folglich mit Annahmen für bestimmte Schadensszenarien rechnen. Denkbar, aber noch nicht konkret sichtbar, wären beispielsweise Szenarien, bei welchen Arbeiternehmer chronische Krankheiten als Folge von Langzeitkontakten mit bestimmten Nanopartikeln entwickeln, oder dass ein Nano-Produkt zurückgerufen werden muss, weil sich im Nachhinein eine Gefährdung beim Gebrauch herausstellt. Die Versicherer müssen sich aber auch mit dem Wahrnehmungsrisiko, das heisst mit der Akzeptanz in der Gesellschaft, auseinandersetzen. Schliesslich sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen mitentscheidend für die Einschätzung des Gesamtrisikos.

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Die Natur soll jährlich einige Tausend Millionen Tonnen Nanomaterialien produzieren. Zu den natürlich vorkommenden Nanopartikeln gehört nebst vielen anderen der Rost (Eisenoxide). Bild: wikipedia

Geht es um die Frage, ob synthetisch hergestellte Nanomaterialien ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen oder nicht, so wird häufig das Argument herangezogen, es gebe in der Natur seit jeher die unterschiedlichsten Nanomaterialien. Dies bedeute, dass sich die Umwelt und der Mensch im Umfeld von Nanomaterialien entwickelt hätten und synthetische Nanomaterialien folglich kein oder kaum ein Risiko darstellen würden. Tatsächlich sind einige Wissenschaftler der Meinung, dass die Nanowissenschaft lediglich Partikel produziere, welche in der Natur bereits gebildet wurden. Andere nehmen dagegen den Standpunkt ein, synthetische Nanomaterialien seien neu und einzigartig und dass sie bisher in der Natur nie vorkamen. Dieser grundsätzlichen Frage geht ein kürzlich publizierter Fachartikel nach. Heute herrscht Einigkeit, dass seit der Geburtsstunde der Nanotechnologien in den 1980er Jahren, die Entwicklung und Anwendung von Nanomaterialien astronomisch zugenommen haben. Unbestritten ist auch, dass die Nanostrukturen einzigartige chemische und physikalische Eigenschaften haben und deshalb Effekte auf Mensch und Umwelt haben könnten.